Richtwerte (in Notfallexpositionssituationen)
Weder die ICRP-Publiktion 103 noch die Richtlinie 2013/59/Euratom benutzen den Begriff „Richtwert“ im Zusammenhang mit Notfall-Expositionssituationen. In SSK-Empfehlungen wird der Begriff „Richtwert“ für Notfall-Expositionssituationen z.T. als Oberbegriff für Grenz- und Richtwerte verwendet, z. B. wurden „abgeleitete Richtwerte“ („operational intervention levels (OIL)“) für Kontaminationen empfohlen, die das zuständige BMUV als Richtwerte in den als allgemeine Verwaltungsvorschriften nach den §§ 98 StrlSchG zu erlassenden allgemeinen Notfallplan des Bundes oder in eine Rechtsverordnungen nach § 94 Absatz 2 StrlSchG übernehmen könnte. Richtwerte können sich auf unterschiedliche [physikalische Größen] [Objekte] beziehen, insbesondere auf
- eine bestimmte Dosis,
- eine Kontamination einer Person, Sache oder eines Umweltmediums, oder
- eine Ortsdosisleistung.
Ein Kontaminationsrichtwert kann aus einem Dosiswert (Richtwert der Dosis, Dosisbezugswert) abgeleitet sein; ein ODL-Richtwert kann aus einem Dosiswert oder aus einem Kontaminationswert abgeleitet sein.
Richtwert der Dosis (in Notfall-Expositionssituationen)
Als Auslöse- oder Richtwert (engl. Trigger) wird der Wert einer Größe bezeichnet, bei dessen Überschreitung Schutzmaßnahmen erwogen werden müssen. Solche Größen sind z. B. als Eingreifrichtwerte formulierte Dosiswerte (effektive Dosis oder Organ-Äquivalentdosis) oder abgeleitete Richtwerte, engl. OIL (Operational Intervention Level), wie z. B. Ortsdosisleistung oder Bodenkontamination.
Eingreifrichtwerte (hier auch als Richtwerte der Dosis bezeichnet)
Eingreifrichtwerte sind Richtwerte der Dosis, die als Maßstab dafür dienen, wann aus Sicht des Strahlenschutzes bestimmte Schutzmaßnahmen gerechtfertigt sein können. Bei einer Entscheidung über solche Maßnahmen müssen aber zusätzlich zur Dosis noch weitere Aspekte berücksichtigt werden, wie zum Beispiel, ob die Maßnahme durchführbar ist und welche zusätzlichen Risiken dabei entstehen. Wird ein Eingreifrichtwert überschritten, löst dies daher nicht automatisch eine Maßnahme aus.
- Aktuell verwendet in: SSK 2019[3]
Der Entwurf des Allgemeinen Notfallplans (ANoPl) enthält die folgende Definition:
Ein Richtwert im Sinne dieses ANoPl-Bund ist ein in einer verwaltungsintern verbindlichen Regelung festgelegter Wert, der
- bei allen Notfällen,
- bei bestimmten, in der Regelung festgelegten Notfällen oder
- bei einem eingetretenen Notfall, für den diese Regelung erlassen wurde,
von den an der Notfallreaktion beteiligten Behörden bei ihren Entscheidungen und Maßnahmen zu beachten ist und von dem diese Behörden nicht oder nur unter bestimmten, in der jeweiligen Vorschrift oder konkreten Regelung festgelegten Voraussetzungen abweichen dürfen. Im Unterschied zu Grenzwerten sind solche Richtwerte für Personen und Unternehmen nicht unmittelbar verbindlich. Da die möglicherweise betroffenen Unternehmen und Personen aber in der Regel davon ausgehen werden, dass die zuständigen Behörden die für sie verbindlichen und bekanntgemachten Richtwerte bei ihren im Notfall zu treffenden Entscheidungen beachten werden, entfalten diese Richtwerte bereits vor ihrer formellen Umsetzung in verbindlichen Verwaltungsakten, Verhaltensempfehlungen oder sonstigen Schutzmaßnahmen auch eine faktische Außenwirkung für die betroffenen Unternehmen und Personen. Bei den in diesem ANoPl-Bund festgelegten oder behandelten Richtwerten handelt es sich häufig um abgeleitete Richtwerte. Ein abgeleiteter Grenz- oder Richtwert im Sinne dieses ANoPl-Bund ist ein auf Basis eines bestimmten Bezugswerts unter bestimmten Annahmen und Berechnungsverfahren festgelegter Grenzwert oder Richtwert, der sich auf eine bestimmte, unmittelbar messbare Folge des Notfalls bezieht, z. B. eine Dosisleistung, Oberflächenkontamination oder Aktivitätskonzentration. Abgeleitete Grenz- und Richtwerte werden in der Regel aus einem Dosiswert, dem sogenannten Dosisbezugswert des jeweiligen Grenz- oder Richtwerts, berechnet. Je nach Anwendungsfall können sie jedoch auch aus anderen Größen berechnet werden (Beispiel: Ableitung einer Ortsdosisleitung aus einem festgelegten Kontaminationswert als Hilfsgröße für die messtechnische Überprüfung, ob der Kontaminationswert in einer bestimmten Anordnung unterschritten wird).
Referenzen
- ↑ Strahlenschutzkommission (SSK). Grundlagen zur Begründung von Grenzwerten der Strahlenexposition für die Bevölkerung. Stellungnahme der Strahlenschutzkommission, Verabschiedet in der 336. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 08. Mai 2023
- ↑ Strahlenschutzkommission (SSK). Grundlagen zur Begründung von Grenzwerten für beruflich strahlenexponierte Personen. Empfehlung der Strahlenschutzkommission, verabschiedet im Umlaufverfahren am 07. September 2018. Bekanntmachung im BAnz AT 14.11.2019 B5
- ↑ Strahlenschutzkommission (SSK). Abgeleitete Richtwerte für Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei Ereignissen mit Freisetzungen von Radionukliden. Empfehlung der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 303. Sitzung der SSK am 24./25. Oktober 2019. Bekanntmachung im BAnz AT 22.04.2020 B3